Gefährliche Reaktion auf einen Insektenstich: Hyposensibilisierung kann bei Allergie Leben retten
Woran erkennt man, ob man wirklich allergisch auf einen Bienen- oder Wespenstich reagiert – oder ob es einfach nur eine normale Schwellung ist?
Eine normale Reaktion ist lokal – also Schwellung, Rötung und vielleicht Juckreiz rund um die Einstichstelle. Bei einer Allergie reagiert hingegen der ganze Körper, beispielsweise in Form einer Hautrötung am gesamten Körper, eventuell zusammen mit Unruhe oder Unwohlsein. In diesem Fall spricht man von einer Anaphylaxie (Allergie) 1. Grades. Bei Grad 2 treten zusätzlich Kreislauf und Atembeschwerden auf, eventuell begleitet von Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen. Grad 3 liegt vor, wenn der Patient kollabiert, die Atemnot schwer ist und Sauerstoff gegeben werden muss. Von Grad 4 spricht man, wenn es im Rahmen der Allergie zum Herzkreislaufstillstand kommt und der Patient wiederbelebt werden muss.
Wie wird festgestellt, ob tatsächlich eine Allergie vorliegt?
Entscheidend ist zunächst die Vorgeschichte: Was ist passiert, wie hat der Körper reagiert, und welches Insekt war es? Dann helfen Bluttests weiter. Damit lassen sich spezifische Antikörper gegen Bienen- oder Wespengift nachweisen. Zusätzlich wird ein bestimmtes Enzym – die sogenannte Tryptase – gemessen. Ein erhöhter Wert kann ein Hinweis auf eine starke allergische Reaktionsbereitschaft sein.
Wie gefährlich ist eine solche Allergie bei einem erneuten Stich?
Wenn jemand beim ersten Stich bereits Atemnot oder Kreislaufbeschwerden hatte – also eine Anaphylaxie 2. Grades oder höher – besteht bei einem weiteren Stich echte Lebensgefahr. In solchen Fällen sollte man immer ein Notfallset dabeihaben und sich so bald wie möglich hyposensibilisieren lassen. Denn ohne Schutz kann der Körper beim nächsten Stich viel heftiger reagieren. Insbesondere ist bei Grad 3 und 4 mit sehr gefährlichen oder gar lebensgefährlichen Verläufen zu rechnen.
Was muss man tun, wenn man gestochen wird und eine Allergie bekannt ist und was gehört in ein Notfallset?
Entscheidend ist, sofort zu handeln. Zuerst sollte man den Adrenalin-Autoinjektor in den Oberschenkel geben. Danach nimmt man die weiteren Notfallmedikamente ein – ein Antihistaminikum und ein Kortisonpräparat. Und ganz wichtig: den Notarzt rufen, auch wenn es einem vielleicht anfangs noch gut geht.
Das Notfallset sollte in jedem Fall enthalten: Einen Autoinjektor für Adrenalin, ein Antihistaminikum (z.B. Cetirizin) und ein Glucokortikoid (z.B. Prednisolon). Die letztgenannten beiden Medikamente am besten in Form eines Saftes, damit man bei Bedarf einfach die Flasche leertrinken kann. Wenn ein Asthma bekannt ist, gehört auch ein Notfallspray für Asthma ins Notfallset.
Wer sollte eine Hyposensibilisierung machen?
Sie wird empfohlen für alle, die nach einem Stich Atem- oder Kreislaufprobleme (Grad 2) hatten. Aber auch Menschen, die „nur“ eine Hautreaktion hatten, können davon profitieren – zum Beispiel, wenn sie beruflich oder privat häufig mit Bienen oder Wespen in Kontakt kommen. Dazu gehören etwa Imker oder auch Verkäuferinnen an offenen Theken.
Wie läuft so eine Behandlung ab?
Bei uns am InnKlinikum Mühldorf bieten wir die sogenannte UltraRush-Hyposensibilisierung an. Dabei wird innerhalb von zwei Tagen bei einem stationären Klinikaufenthalt ein Schutz aufgebaut – mit mehreren Spritzen, die die Dosis des Gifts im Körper langsam steigern. Nach dem anschließenden zweiten Tag hat der Körper in der Regel bereits einen recht guten Schutz. Der Patient hat dann eine Giftmenge von etwa 10 Wespen oder 1-2 Bienen gespritzt bekommen. Nach einer abschließenden Überwachungsphase kann er (meist gegen Mittag) die Klinik wieder verlassen. Danach folgen regelmäßige Spritzen beim Haus- oder Facharzt, anfangs alle zwei Wochen. Später kann der Abstand verlängert werden. Die Behandlung dauert insgesamt drei bis fünf Jahre – bei schweren Fällen sogar lebenslang.
Wie gut wirkt diese Therapie?
Sehr gut, vor allem bei einer Wespengiftallergie. Hier liegt die Erfolgsquote bei rund 95 Prozent. Bei Bienengift ist sie etwas niedriger, aber immer noch zwischen 80 und 90 Prozent.
Muss man mit Nebenwirkungen rechnen?
Gelegentlich kommt es zu Rötung, Schwellung oder Juckreiz an der Einstichstelle. Manche berichten auch über Kopfschmerzen oder leichtes Unwohlsein. Schwere Reaktionen sind sehr selten, aber da sie möglich sind, führen wir die Behandlung unter ärztlicher Kontrolle durch.
Übernimmt die Krankenkasse die Kosten?
Ja, wenn eine nachgewiesene Allergie vorliegt, werden sowohl die Tests als auch die Behandlung in der Regel vollständig übernommen.
Wohinkann man sich wenden, wenn man sich behandeln lassen möchte?
Die Voruntersuchungen finden in der Regel beim niedergelassenen Facharzt statt. Die stationäre Schnell-Hyposensibilisierung kann dann anschließend bei uns im InnKlinikum Mühldorf in der Klinik für Pneumologie, Infektiologie und Beatmungsmedizin stattfinden. Anfragen können dabei durch den einweisenden Haus- oder Facharzt oder durch den Patienten selbst über unser Sekretariat erfolgen.